SPD – Wohnungsnot kultiviert man wie Champignons
- Juli 21, 2018
Gewöhnlich schreibe ich ja über die Nichtwohnungsbaugenossen hier in Berlin. Heute hat aber die Münchner SPD meine Aufmerksamkeit geweckt. Wie keine andere Partei in keiner anderen Stadt schafft es die SPD, ähnlich einem Champignon-Bauern, die Wohnungsnot zu züchten indem sie die Pilze äh Wähler schön im Dunkeln lässt und von Zeit zu Zeit mit Mist bestreut.
Die SPD stellt in München seit 1947 und damit seit 71 Jahren den Oberbürgermeister (mit Ausnahme von 1978 bis 1984). 65 Jahre SPD Herrschaft, eigentlich genug Zeit, um durch eine ausgewogene Wohnungsbaupolitik für bezahlbares Wohnen für alle zu Sorgen. Könnte man meinen. Könnte man, wenn man nicht wüßte, dass München – auch wenn Berlin gerade unter Rot-Rot-Grün richtig Gas gibt – schon sehr, sehr lange und auch heute, die mit Abstand teuerste Stadt für Mieter und Eigennutzer in Deutschland ist.
Wie passt dies zusammen?
Seit 71 Jahren predigen die Sozis, dass nur durch mehr Regulierung, sozial(istisch)e Traumverhältnisse am Wohnungsmarkt erreichbar sind. Seit 71 Jahren reguliert die SPD in München wild am lokalen Wohnungsmarkt herum. Und seit 71 Jahren wird das Wohnen in München immer teurer und die Wohnungsnot immer größer. Und trotz des ganzen Mistes, mit dem sie bestreut werden, wählen die Münchner alle paar Jahre wieder die SPD zu ihrem Champignon-Bauern. Erste Erklärung, der Münchner mag es halt eng, feucht und dunkel 😉
Spaß beiseite. Merkt es die SPD in München nicht, dass Symbolpolitik und Regulierung die Wohnungsnot nicht lindert? So viel Unfähigkeit, kann ich den Sozialdemokraten gar nicht zutrauen. Seit 71 Jahren die Wohnungsnot vor Augen zu haben und diese übersehen, können wir wohl ausschließen. Sozis sind ja gewöhnlich nicht so abgehoben, dass sie die Not in einer Stadt nicht mitbekommen würden.
Ist das Problem unlösbar? Naja. Wenn man 71 Jahre Zeit hat, eine reiche Stadt ist und wie München, sehr viel Platz (grüne Wiesen und Äcker drum herum) hat, ist hinreichender Wohnungsbau eigentlich kein Problem. Unlösbar ist es also nicht. Und München wächst ja, nur halt nie schnell genug. Und damit sind wir auch schon bei der wahrscheinlichsten Erklärung.
Die SPD in München hat gelernt, dass ein wenig Wohnungsnot ganz gut für das eigene Wahlergebnis ist. Mit Wohnungsnot gewinnt Links Wahlen. Hat auch schon vorher in der Weimarer Republik geklappt. Die richtige Dosis Mist äh Wohnungbauregulierung und die Champignons wählen und gedeihen.
Ein paar Beispiele für den Mist gefällig?
- Mietpreisgebundene Wohnungen (die man zwangsweise mitbauen muss) dürfen in München nur ganz bestimmte Haushalte bekommen: Kinderlose Paare müssen bereits seit 3 Jahren ihren Hauptwohnsitz in München haben. Familien mit Kindern seit mindestens 1 Jahr. Also keine günstigen Wohnungen für Fremde. Außer, sie fangen an, für die Stadtverwaltung zu arbeiten. Neue Beamte und Angestellte der Stadt München sind explizit von der Beschränkung ausgenommen. Da der Vermieter frei wählen kann, an wen er vermietet, und Beamte als besonders gute Mieter gelten, gehen mietpreisgebundene Wohnungen halt bevorzugt an die eigenen Kollegen.
- München hat seit 30 Jahren „Milieuschutz“ aka „Soziale Erhaltungsgebiete“. Aktuell sind es 21 Milieuschutzgebiete, die 1/5tel der Wohnungen Münchens abdecken. Über den Unsinn von Milieuschutzgebieten habe ich einen eigenen Beitrag verfasst. Die restlichen 4/5tel sind insofern besonders unter Druck.
- In Abwendungsvereinbarungen (Investoren in Milieuschutzgebieten, die diese nicht unterschreiben droht der Verlust der Immobilie durch Vorkaufsrecht) muss sich dieser seit Juli 2018 verpflichten, nur an die o.g. Zielgruppe und nur zu 11,50 Euro pro m² zu vermieten. Sozialdemokratische Beamte wollen halt gern in den guten Bezirken wohnen, trotz Wohnungsnot der Wähler.
Lieber Ronald,
nette Thesen – die allerdings durch wenig Sachkenntnis geprägt sind. München ist im Gegensatz zu Berlin oder Hamburg eine Kommune, kein Bundesland. Daher hat München bzw. die Münchner SPD nicht die Handlungsmöglichkeiten, die z. B. in Berlin denkbar wären. Bis zur Föderalismusreform 2006 war ausschliesslich der Bund, seit 2006 sind ausschließlich die Bundesländer für den sozialen Wohnungsbau zuständig. Während der Bund seine entsprechenden Mittel an die Bundesländer auf 2 Mrd. Euro pro Jahr erhöht hat (und aktuell dabei ist, um weitere 500 Mio. Euro aufzustocken), hat der Freistaat Bayern (der zuständig ist!) seine Mittel halbiert.
Obwohl die Kommunen also nicht (!) für den Wohnungsbau zuständig sind, hat München das größte Kommune Wohnungsbauprogramm der Republik, inzwischen in der 6. Neuauflage und ausgestattet mit rund 870 Mio. Euro. Die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben aktuell rund 66.000 Wohnungen im Bestand und bauen wie die Weltmeister neue dazu.
Allerdings – und hier ist in Ihrer Argumentation der zweite große Fehler – gibt es zwar in der Tat rund um München „grüne Wiesen und Äcker“ – aber halt leider nicht im Stadtgebiet. Fast überall ist München an sich an seinen Grenzen längst angekommen, die verbleibenden Areale sind längst in der Entwicklung. Aktuell gibt es in der Stadt selbst (Gemeindegrenzen!) noch Platz für rund 60.000 Wohnungen. Allerdings ist der Zuzug in die Stadt deutlich größer: Heute hat München rund 1,54 Mio. Einwohner, bis 2030 – also in zwölf Jahren – geht man von mindestens 1,7 Millionen Einwohnern aus. Allein daraus wird mehr als deutlich, dass die Stadt selbst das Wohnungsproblem nie lösen kann.
Die Baulandpreise sind bei uns zwischen 1962 und 2015 um 1.600 Prozent gestiegen, die Mieten im gleichen Zeitraum um 495 Prozent. Wer heute neue Wohnungen baut, kann keine günstigen Mieten anbieten – dazu sind die Grundstückspreise einfach viel zu hoch. Trotzdem schaffen es die beiden städtischen Gesellschaften, die Genossenschaften – weil die Stadt ihre Grundstücke schon lange nicht mehr nach dem höchsten Preisangebot, sondern nach dem besten Konzept für bezahlbare Wohnungen anbietet.
München ist auch die sicherste Großstadt. Das hat viel mit der ausgewogenen Mischung der Bevölkerung im gesamten Stadtgebiet zu tun. Wir setzen immer dort, wo wir es mit Bebauungsplänen können, die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) über städtebauliche Verträge mit den Bauträgern durch. Dabei ist z. B. immer ein Drittel der neuen Wohnungen geförderter Wohnungsbau mit bezahlbaren Mieten. So entstehen nirgends Ghettos.
Trotzdem und anhand der Fakten absolut nachvollziehbar steigen die Mieten immer weiter. Jetzt könnte eine Münchner SPD zuschauen und mit dem Finger auf andere zeigen. Nochmal: Wohnungsbau alleine kann und wird den Preisanstieg nicht aufhalten. Genau deshalb ist jede preisregulierende Maßnahme, jeder Mieterschutz nicht sozialistisches Teufelswerk, sondern nackte Notwendigkeit. Deshalb gibt es Erhaltungssatzungsgebiete, kommunale Mietpreisbremsen, Umwandlungsverbote in Eigentumswohnungen usw. Deshalb kämpfen wir so vehement gegen die aktuelle Modernisierungsumlage und die völlig realitätsferne Berechnung des Mietspiegels. Dort fließen eben nur die neuen und hohen Mieten der letzten vier Jahre ein, während sich danach alle Vermieter mit allen Mietverträgen auf diesen Mietspiegel berufen können. Das Ergebnis ist eine Spirale mit einem einzigen Ziel: Nach oben.
Denn die Menschen, die hier bereits leben, wollen das nicht nur weiter in München tun, wir brauchen sie auch. Selbst die reichsten oberen fünf Prozent benötigen Pflegepersonal, Müllabfuhr, Erzieherinnen, Polizisten und Feuerwehrleute. Die aber haben leider nur die Löhne, die sie haben. Und die steigen bekanntlich deutlich langsamer als die Mieten. Ihre Unterstellung, die Münchner Förderprogramme bzw. die geförderten Münchner Wohnungen kämen in erster Linie den „Einheimischen“ oder den Beschäftigten der Stadt zugute, ist übrigens ebenfalls falsch. Vielleicht beschäftigen Sie sich mal mit dem Programm „Wohnen für alle“ der Stadt oder den registrierten Wohnungsberechtigten – das sind derzeit rund 17.000 – die wenigsten sind städtische Beschäftigte. Solange in München lebende Menschen dokumentiert eine bezahlbare Wohnung suchen, macht es relativ wenig Sinn, diese Mangelware an Menschen zu vergeben, die noch nicht in München sind.
Für den Moment letzte Anmerkung: Für uns ist Wohnen nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern ein Grundrecht. Grund und Boden dürfen den Regularien des „freien“ Marktes schon deshalb nicht unterliegen, weil die Regeln von Angebot und Nachfrage nicht zutreffen. Grund kann nicht nachproduziert werden, sondern wurde in der ersten Tagen der Schöpfungsgeschichte abschließend festgelegt. Deshalb setzen wir uns auch intensiv für ein neues und soziales Bodenrecht ein.
Beste Grüße aus München,
Roland Fischer
Lieber Roland,
Stadtentwicklung und damit auch Wohnungsbau liegen allein in der Verantwortung der Stadt selbst. Sich erst für mehr Wohnungsbau wählen lassen, um danach zu wenig zu tun und immer auf das Land Bayern oder die Bundesrepublik zu zeigen, ist eine sozialdemokratische Unart – mit den zwischenzeitlich bekannten Folgen für die Wohnungsmärkte und die Wählergunst der SPD.
Die Verantwortung des Bundes resultierte aus dem bundesweiten Mangel an Wohnraum nach dem 2. Weltkrieg. Diese flächendeckende Wohnungsnot ist aber seit mehr als 30 Jahren erfolgreich abgestellt. Geblieben ist sie in den – häufig von Sozialdemokraten regierten – Metropolen.
Jeder Wohnungsbau in Gebieten mit Nachfrageüberhang ist sozial. Die Einschränkung, Bau explizit nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen zuzulassen, ist unsozial.
München hat mit 4.700 Einwohnern pro Quadratkilometer nur im deutschen Vergleich eine hohe Dichte. Paris & Barcelona sind 4x dichter bebaut, Mailand & Bukarest 2x und selbst London, Madrid oder Stockholm sind dichter bebaut. Allein die Tatsache, dass München noch immer das Höhenprofil einer bayerischen Kleinstadt hat, ist ein Versagen der sozialdemokratischen Stadtentwicklungspolitik. Darüber hinaus liegt es in der Verantwortung der Münchener Stadtverwaltung, durch regionale Vernetzung und Entwicklung der notwendigen Infrastruktur auch die Baureserven im ländlichen Raum um München herum zu mobilisieren. Eine Großstadt kann ihre Nachbarn hier auch fordern – wenn sie will.
Durch punktuell künstlich niedrig gehaltene Mieten (und seien es aus Steuern subventionierte, sogenannt „Sozialwohnungen“), steigt die Anziehungskraft relativ stärker als die Wirtschaftsleistung. Es ist wie eine Wohnungslotterie für Zuzug. Insofern verschlimmern Mietpreisbremse, Milieuschutz & Co. das Problem. „Warum soll ich nach Regenburg ziehen, wenn ich die Chance habe, für das gleiche Geld in München leben kann?“
Das Boden nicht „nachproduziert“ werden kann, stimmt. Das Boden in Deutschland aber grundsätzlich reichlich vorhanden ist, ebenfalls. Niemand ist gezwungen, Boden an einem bestimmten Ort zu nutzen. Insofern funktioniert der Markt. Nur wenn viele am gleichen Ort leben wollen, steigen die Preise überproportional. Und wenn wir mit Steuern als Gesellschaft bestimmte Orte besonders attraktiv machen, sollten wir diesen Wertzuwachs auch abschöpfen. Zu diesem Thema Grundstückspreise empfehle ich die dämpfende Soziale Bodenwertsteuer. Leider ist die SPD in weiten Teilen gegen eine steuernde Nutzung der Grundsteuerreform.
Letzte Anmerkung: Jeder soll in Deutschland ein Dach über dem Kopf haben. Es muss aber nicht für jeden in München oder Berlin sein. Dies ist die freie Entscheidung jedes Einzelnen. Es stehen 2 Mill. Wohnungen in Deutschland leer. In den Metropolen (wie München) fehlen nur 1,5 Mill. Arbeit gibt es in Deutschland fast überall.
Beste Grüße aus Berlin,
Ronald